Eine Leserin fragt:
Ich habe ein gutes Verhältnis zu meiner Tochter (32). Neulich saßen wir zusammen, da wollte sie wissen: Mama, war ich eigentlich geplant? Ich habe ihr nie gesagt, dass sie ein “Unfall” war und die Schwangerschaft mein Leben damals ziemlich durcheinandergewirbelt hat. Heute bin ich natürlich sehr froh, dass sie da ist. Muss ich sie über die Umstände ihrer Zeugung aufklären? Inga K., München
Experten antworten:
Kirsten Boie: Die Wahrheit ist bestimmt keine Kränkung
Jeder Mensch hat das Bedürfnis zu erfahren, wer seine Eltern sind – nicht nur, wer die Mutter ist, sondern auch der Vater. (Es klingt, als hätten Sie Ihrer Tochter auch darüber nichts gesagt.) Das sind wichtige Bausteine der Identität. Die Umstände der Zeugung dagegen – am Strand, im Bett, im Auto, zu viel Alkohol – spielen dafür keine Rolle, die müssen sicher nicht geklärt werden. Warum haben Sie Angst davor, Ihrer Tochter zu erzählen, dass sie ursprünglich nicht geplant war? Sie hat doch jetzt 32 Jahre lang erlebt, dass sie gewollt und geliebt ist! Oder sind Sie in Sorge, dass das Bild, das Sie Ihrer Tochter gegenüber von sich gezeichnet haben, durch diese “Aufklärung” einen Riss bekommen könnte, dass Ihre Tochter Sie danach anders sieht?
Die Wahrheit ist für Ihre Tochter darum jedenfalls nach all diesen schönen gemeinsamen Jahren ganz bestimmt keine Kränkung, sicher kann Sie gut damit umgehen. Und wenn sie erfährt, wie sehr sie Ihr Leben durcheinandergewirbelt hat, wird sie vermutlich nur mehr Hochachtung dafür empfinden, wie Sie das Leben mit ihr gemeistert haben. Die Wahrheit wird die Beziehung zwischen Ihnen nicht ändern. Schweigen oder Lügen dagegen wird das auf die Dauer ganz sicher tun.
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/leben/erziehungsfragen-mama-war-ich-eigentlich-geplant-1.2646636