Aus dem aktuellen Street Philosophy, schöne Gedanken verfasst von Julia Kalmund:
Selten denken wir darüber nach warum wir Menschen neugierig sind; eine seltsame Eigenschaft, die an viele Empfindungen anknüpft: Sensationslust, ein Prickeln vor dem Unbekannten, Wissbegierde, wenn es darum geht Neues kennen zu lernen.
Alles, was sie umgab zu erkunden, war der Antrieb für die ionischen Naturphilosophen “hinter die Dinge zu schauen” und auch für Platon war Staunen der Anfang der Philosophie.
“Das Staunen ist die Einstellung eines Mannes, der die Weisheit wahrhaft liebt, ja es gibt keinen anderen Anfang der Philosophie als diesen.” – Platon
Der Philosoph Peter Bieri schreibt in seinem kleinen Buch “Wie wäre es gebildet zu sein?”:
“Bildung beginnt mit Neugierde. Man töte in jemandem die Neugierde ab, und man nimmt ihm die Chance, sich zu bilden. Neugierde ist der unersättliche Wunsch zu erfahren, was es in der Welt alles gibt.”
Wenn man die Entwicklung der Reisefreudigkeit beobachtet, dann geben wir uns nicht mit Faulenzen am Strand, Sonnenanbeten zufrieden, auch nicht mit sportlichen Herausforderungen. Wir bereisen die Welt, sind neugierig, erkunden andere Kulturen, lernen andere Völker kennen, bewundern ihre Geschichte und im besten Fall nehmen wir etwas für uns mit nach Hause, das uns bereichert und bildet.
Im Umkehrschluss birgt mangelnde Neugier die Gefahr, dass wir das “Fremde”, das Andersartige abtun und verteufeln. In unserer Geschichte hat diese mangelnde Offenheit zu Kriegen und Grausamkeiten geführt.
Wir leben jetzt in Zeiten, wo wir Informationen jederzeit anzapfen können. Sind wir neugierig, können wir googeln, und unsere Neugierde befriedigen. Das bringt uns viel, und es gibt vielen Menschen die Chance zu lernen, zu forschen, sich weiterzubilden, ohne kostspielige Reisen, ohne sich fortbewegen zu müssen. Manchmal mangelt es dadurch an persönlichem Austausch, und dennoch öffnet es Horizonte und spornt an.
Sicher haben wir schon lange, seitdem es Zeitungen gibt, und das sind über 200 Jahre, unsere Neugier in den Printmedien ausleben können. Wir verfolgen Stars und Starlets, ohne es uns vielleicht einzugestehen, und folgen einer Sensationsgier wenn etwas auf der Welt schiefläuft.
Wären die Sozialen Medien ohne Neugierde das geworden, was sie sind? Sie nutzen das aus, was uns Menschen zu eigen ist: aus Neugier das Intimste aus aller Welt, von Jedermann zu erfahren, und gleichzeitig uns selbst preiszugeben, damit andere sich daran laben.
“Egal!” würde man sagen, Neugier ist Neugier und wir können und wollen nicht ohne diese Eigenschaft leben. Wie bei allem hat auch die Neugier Licht- und Schattenseiten, und wir müssen vielleicht manches mal hinterfragen, was unsere Motive sind. Im besten Falle sind wir mit offenem Herzen und einem offenen Geist unterwegs, wohlwollend und bereit uns selbst und die Welt besser zu verstehen. Dann bleiben wir unseren Werten und der Aufgabe der Philosophie treu.
Julia Kalmund, April 2018