“Freiheit und Verantwortung” von Dr. Stefan Bergheim

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Dr. Stefan Bergheim, Direktor der 2009 gegründeten gemeinnützigen Denkfabrik “Zentrum for gesellschaftlichen Fortschritt” in Frankfurt am Main bezieht in unserem Gastartikel zu dem Thema “Freiheit und Verantwortung” Stellung. Mehr zum Autor hier.

Unsere Freiheit, unsere Verantwortung

Die Morde von Paris am 13. November waren ein Angriff auf unsere Freiheit, auf Toleranz und auf den Zusammenhalt unserer Gesellschaften. Sie werden unsere Gesellschaften noch lange bewegen. Meine Hoffnung und Erwartung ist, dass sich die Freiheit weiterhin durchsetzen wird.

Anlass zu diesem Optimismus geben wissenschaftliche Untersuchungen zur menschlichen Entwicklung. Seit Jahrzehnten belegen sie mit Hilfe von Umfragen eine Bewegung hin zu mehr Freiheit und emanzipatorischen Werten: Je mehr intellektuelle, soziale und wirtschaftliche Ressourcen Menschen zur Verfügung haben, umso höher bewerten sie Freiheit und Wahlmöglichkeiten – und fordern entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen ein. Bildung ist ein entscheidender Baustein in diesem Prozess. Natürlich gibt es keine Garantie, dass die Entwicklung in diese Richtung, also gesellschaftlicher Fortschritt, immer weiter geht. Wir können die Zukunft aber mit unseren individuellen und gesellschaftlichen Entscheidungen beeinflussen. Die Verantwortung liegt bei uns.

Daher sollten wir diesen Angriff auch als Gelegenheit nutzen, um uns selbst den Freiheits-Spiegel vorzuhalten. Dies kann zur positiven Weiterentwicklung unserer Gesellschaften beitragen.

  • Gehen wir selbst mit unseren Freiheiten so um, dass es uns persönlich wirklich gut tut und langfristig zufrieden macht? Oder tappen auch wir in die Fallen der Verwöhnung, Bequemlichkeit, Passivität und Bewegungsarmut, wie sie Felix von Cube in „Lust an Leistung“ aus Sicht der Biologie beschrieben hat?
  • Geben wir anderen Menschen in Deutschland ähnliche Freiheitschancen wie wir sie selbst haben? Oder tragen auch wir – bewusst oder unbewusst – dazu bei, dass diese ungleich verteilt sind und sich z.B. junge Männer und Frauen mit fremdländischem Namen hier nicht zugehörig und anerkannt fühlen?
  • Haben wir unsere Freiheit vielleicht sogar auf Kosten anderer Menschen vergrößert? Haben wir Unfreiheit und Intoleranz hier und in anderen Ländern zu lange toleriert oder sogar unterstützt?

Das sind große Fragen. Der erste menschliche Reflex zielt auf Ablehnung der Fragen und auf Bestätigung der eigenen Lebensweise. Ich hoffe, dass wir langfristig mit ihrer Beantwortung einen Beitrag dazu leisten, Anschläge auf die Freiheit wie die von Paris seltener werden zu lassen. Mit Gegengewalt und Aufbau der Sicherheitsapparate allein wird uns das nicht gelingen.

(Text basiert auf einem Beitrag im fortschrittsblog.de )